Finja: Kapitel 1
Mit leisen Schritten schlich ich zur Küche. Jeder
Schritt erzeugte ein dumpfes Geräusch, als meine Füsse auf dem Boden auftrafen.
Wieso? Wieso konnte nicht alles so
bleiben? Meine Gedanken gingen im Kreis. Mit einem kleinen Seufzen trat ich
vor den Kühlschrank und öffnete ihn. Ich gab mir die grösste Mühe, kein
Geräusch zu machen. Milch, Wurst, Käse, ein Apfel, Joghurt… Joghurt!
Ich streckte meine Hand aus, hielt jedoch inne. War das der richtige Weg? War
essen das, was mir half? Vermutlich nicht. Doch gab es etwas, das mir half?
Vermutlich auch nicht. Beherzt griff ich zu, packte den Joghurt und schlich
zurück in mein Zimmer.
Ich hatte
schon ewig nicht mehr aufgeräumt, im Dunkeln musste ich aufpassen, auf nichts
draufzutreten, was sich als nicht besonders leicht erwies. Nachdem ich mein
Bett erreicht hatte, liess ich mich darauf fallen und öffnete den Joghurt. Ich
versuchte, an nichts zu denken, doch wie immer gelang es mir nicht. Doch lieber
befasste ich mich mit meinen Gedanken, als zu schlafen. Schlafen hiess träumen,
und danach war mir nun wirklich nicht, denn ich wusste nur zu genau, was mich
in meinen Träumen erwartete. Ian. Nur schon der Gedanke an ihn liess die Härchen
an meinen Armen aufstellen, dabei dachte ich unentwegt an ihn. Oder besser
gesagt, was mit ihm geschehen war.
Meine
Augen begannen zu brennen, ich kämpfte dagegen an, doch schliesslich verlor ich
und die Tränen flossen mir meine Wangen hinunter. Vergeblich versuchte ich auch
das Schluchzen zu unterdrücken. Werde ich
je wieder glücklich sein können? Werde ich je wieder gut träumen? Und warum lässt
es mich nicht einfach los? Habe ich nicht von Anfang an gewusst, wie es
herauskommen würde? Hatte ich etwa etwas anderes erwartet? Nein. Ich bin selber
schuld. Ich habe mir etwas vorgemacht. Ich legte den halb aufgegessenen
Joghurt zur Seite und mein Blick fiel auf die kahle Stelle an der Wand über
meinem Schreibtisch. Bis vor kurzem hing dort ein Bild, ich hatte es abgenommen
und in meine Schublade mit den Erinnerungsstücken gelegt. Es war ein
Schnappschuss, Ian und ich an einer Party letzten Sommer. Seine grünen Augen
waren von einer grossen Sonnenbrille bedeckt, in der Hand hielt er ein Bier,
den anderen Arm hatte er um mich geschlungen. Er lachte, die Grübchen in den
Wangen verrieten mir, dass es ein echtes Lachen war. Seine Grübchen zeigten
immer, wie er fühlte, sie waren sozusagen das Tor zu seiner Seele. Die braunen
Haare waren zerstrubbelt, wirr standen sie von seinem Kopf ab. Und dann ich.
Ich hatte mich selten so glücklich gesehen. Ich schmiegte mich leicht an ihn,
schaute nicht in die Kamera sondern ich blickte ihn an. Meine Haut war damals
noch gebräunt von der Sonne, die rötlichen Haare glänzten in der Abendsonne,
welche sie noch röter erscheinen liess. Meine Hände hielten einen Drink in der
Hand. Es war ein Mojito, den Ian mir selbst zubereitet hatte. Ich lächelte, es
schien, als ob mein ganzes Gesicht leuchten würde. Da war noch alles in
Ordnung, nichts trübte die Stimmung, es war, als ob ich nur für diesen Sommer
gelebt hätte. Und obwohl dieser eine Moment für immer in einem Bild
festgefroren war, wünschte ich mir, er hätte für immer gewährt.
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